Skoda Time Trial im Rahmen der Deutschland Tour - 6. September 2008
(Bericht von Florian Stienen)
„Auf dieser Strecke ist was drin“, dachte ich mir zumindest während der ersten Streckenbesichtigung. Wie sich später herausstellte, hatte ich diese Rechnung ohne den Wind gemacht.
Doch eins nach dem anderen. Mit dem Auto waren mein Vater als Support und ich schon am Mittwoch nach Bremen gereist – in die Heimat der Familie, wo heuer die Deutschland Tour ihr Zeitfahren veranstaltete und auch den Jedermännern die Möglichkeit geben wollte, sich in dieser Disziplin einmal zu üben. Am Donnerstagmorgen nahmen wir dann schon mal einen Großteil des Parcours unter die Räder. Alles war nicht möglich, da die Strecke auch über ein Stück Autobahn und eine für Radler gesperrte Hochstraße führte. Zurück im Hotel war ich sehr optimistisch. Mein Ziel, über die Distanz von 34,5 km unter einer Stunde zu bleiben, dürfte machbar sein. Weil die einzigen „Erhebungen“ die Autobahnausfahrt bzw. die Hochstraßenauffahrt waren, galt meine einzige Sorge dem angekündigten Regen.
Am Samstagmorgen dann die Entwarnung: Regnen wird es zumindest beim Jedermannrennen nicht. Beim Warten vor dem Start durfte ich beim Plausch mit zwei Mitstreitern feststellen, dass wir im Alpenvorland doch anderes gewohnt sind. Meinte einer doch tatsächlich: „Da bei der Hochstraße geht’s ganz schön steil hoch, ne?“. Doch zurück zum Rennen. Im 10-Sekunden-Takt wurden die Rennradfahrer auf die Strecke gelassen. Obwohl ich mich nicht mit dem Teamnamen RSLC Holzkirchen angemeldet hatte, reagierte der Moderator bei meinem Start gedankenschnell und kündigte mich aufgrund des Trikots mit „… vom RSLC Holzkirchen aus dem tiefen Süden“ an. Vom Start weg rollte es sehr gut, gleich auf den ersten 2 km konnte ich drei Fahrer überholen. Beim ersten Richtungswechsel musste ich feststellen, dass auf den ersten 5 km deutlicher Rückenwind geherrscht hatte. Nun kam der Wind von der Seite. Auf dem Blockland-Deich angekommen hieß die Devise: Lenker festhalten (um einen Ausflug in die Wümme zu vermeiden) und Rhythmus finden. In der anspruchsvollen Zickzackpassage schwante mir, was noch auf mich zu kommen würde. Auf einmal hatte ich wieder die Worte meines Vaters im Ohr: „In Bremen kann es windig werden!“ Neue Motivation schöpfte ich, als mich der Erste überholte, jedoch zunächst nicht weiter als 30 m von mir weg kam, da er wie viele andere die Kurven extrem langsam fuhr. Hier zeigte sich mal wieder, wie Recht Pierrick hat, wenn er auf dem Erlernen des perfekten Kurvenfahrens besteht. Doch dann kam’s dicke. Fast 10 km geradeaus, nur unterbrochen von dem 200 m langen Abschnitt auf der Autobahn, ging es voll gegen den Wind. Nach der Autobahnabfahrt zum Hafen auf einer dreispurigen Straße über die Häuser hinweg konnte man nicht mehr von Wind reden. Auf ebener Straße kämpfte ich, um nicht unter 18 km/h zu fallen! Und ausgerechnet jetzt kamen die ersten Krämpfe. Also schnell ein Gel durchpfeifen und am Hafen entlang trotz Seiten-/Gegenwind versuchen, den Rhythmus wieder zu finden. Noch 3 km bis zum Ziel und ein Blick auf die Uhr. Es blieben mir knapp 5 Min., um unter einer Stunde zu bleiben. Vielleicht wird’s ja doch noch was, dachte ich mir und rechnete gleichzeitig aus, dass ich dann kaum noch unter die 40 km/h fallen durfte. Also noch mal schalten und reintreten nach dem Prinzip „Quäl dich Du Sau“. Doch da war ja noch der „Berg“. Da half nur eins: die Hochstraße entlang als gäb’s kein Morgen mehr und möglichst vor den letzten Kehren am vor mir fahrenden „Pulk“ von 5-8 Leuten vorbei. Mit Unterstützung der vielen Leute am Streckenrand sollte das gelingen. Auf den letzten 2 km wurde mir dann so schwindelig, dass ich beinahe noch die letzte Kehre und im Tunnel einen Konkurrenten übersah. Die Zielgerade war ungefähr 300 m lang. Noch mal mit aller Kraft in die Pedale treten, die Zeit tickt – das Ziel: Auf dem Tacho blinkt 0:59:58. Mit einem Gefühl unbändiger Freude und grenzenloser Erschöpfung fiel ich erst einmal vom Rad, ohne aus den Pedalen zu kommen. Nachdem ich wieder alle Körperteile koordinieren, konnte musste ich dann feststellen, dass die offizielle Zeit 1:00:25 Std. lautete. Das war Platz 347 von 650 Startern und der 7. Rang bei den Junioren. Die Enttäuschung wich aber schnell und Zufriedenheit machte sich breit. Schließlich war ich trotz meinem geringen Trainingspensum in diesem Jahr einen guten 34er Schnitt gefahren. Mein Fazit: eine abwechslungsreiche, anspruchsvolle Strecke, die Spaß gemacht hat, obwohl ich oder gerade weil ich wohl noch nie so erschöpft war. Und selbstverständlich stand ich ein paar Stunden später immer noch an der Strecke, als Linus Gerdemann seinen Sieg bei der D’Tour perfekt machte.